Pilotlinie für neuromorphe Chips

Neuromorphe Computer orientieren sich am Aufbau eines biologischen Nervensystems. Sie sollen die Fähigkeiten der Selbstorganisation und damit des Lernens eines Gehirns nachempfinden. Die Aufgaben der Neuronen übernehmen z. B. CMOS-Memristoren, welche – wie im Gehirn – über Synapsen miteinander in Verbindung stehen. Neuromorphe Systeme für Edge-KI-Anwendungen weisen enormes Potential in der Mustererkennung, Musteranalyse und Mustervorhersage auf und haben ein hohes Anwendungspotential in Bereichen wie der medizinischen Diagnostik oder der Erkennung von Sprachmustern und versprechen, diese außerordentlichen Leistungen mit geringstmöglichem Energiebedarf im Vergleich zu heutigen Architekturen zu ermöglichen.

Damit die Industrie diese Technologien möglichst schnell in kom­merzielle Produkte und Innovationen überführen kann, müssen sie von der Grundlagenforschung in Richtung einer wirtschaft­lichen Anwendbarkeit weiterentwickelt sowie die dafür notwen­dige Entwicklungs- und Pilotfertigungs-Infrastruktur aufgebaut werden. Ziel des Projekts PREVAIL – Partnership for Realization and Validation of AI hardware Leadership – ist es, eine techno­logische Plattform anzubieten, die in der Lage ist, Prototypen für fortschrittliche, neuromorphe Chips für Edge-KI-Anwendungen zu entwerfen, zu fertigen und zu testen.

Nationale und internationale Zusammenarbeit stärken

Im Projekt bringen vier Fraunhofer-Institute – neben dem Koordinator Fraunhofer IPMS sind das die Institute IZM, IIS und EMFT – ihre fortschrittlichen 300-mm-Fertigungs-, Design- und Testfähigkeiten ein. Dadurch soll eine „Hardware for Edge AI“-Plattform für 300-mm-Technologie entstehen. Diese soll in Zusammenschluss mit CEA-Leti, imec und VTT, den führenden europäischen Forschungsorganisationen (RTOs), langfristig aus­gebaut werden.

Das Projekt startete im Dezember 2022. In der ersten Projektphase von dreieinhalb Jahren liegt der Fokus zunächst darauf, Lücken in den Anlagenparks bei den beteiligten Partnern zu schließen und punktuell Prozesse zu verbessern sowie auch beispielsweise Geschäftsprozesse und das Kontaminationsmanagement so abzustimmen, dass die Voraussetzungen für gemeinsame Demonstrator-Angebote geschaffen werden.

In einer geplanten zweiten Phase soll dann die Plattform aktiv Pilotfertigungskapazitäten insbesondere für den europäische FuE-Markt bereitstellen, d.h. es Unternehmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen ermöglichen, Demonstratoren, Proto­typen und Kleinserien in fortschrittlichen Designs in Auftrag zu geben, für die es bisher keine Fertigungsmöglichkeit gab.

Durch diese Zusammenarbeit wollen die Partner künftig Chips entwickeln, die deutlich über den State-of-the-art hinausgehen. Gegenwärtig betreiben die RTOs ihre Reinräume gemäß ihrer jeweiligen nationalen Mission in regelmäßiger Zusammenarbeit, jedoch auf Projektbasis. Das PREVAIL-Projekt zeigt deutlich das gemeinsame Bestreben, dauerhaft und koordiniert zusammen­zuarbeiten, Kompetenzen zu bündeln und komplementär zu ergänzen.

Den European Chips Act zum Leben erwecken

Anfang 2022 übernahm die Europäische Kommission den Vorschlag für eine neue Gesetzgebung zu Halbleitern, den sogenannten European Chips Act. Darüber hinaus entwickeln derzeit auch die einzelnen Mitgliedstaaten nationale Strategien, um ihre Industrie- und Produktionskapazitäten auszubauen und Abhängigkeiten zu verringern. Das PREVAIL-Projekt zielt darauf ab, den Rahmen für die Angleichung der nationalen Initiativen an den European Chips Act zu fördern, indem eine verteilte Technologieplattform mit mehreren Knotenpunkten aus den wichtigsten europäischen Halbleiter-RTOs eingerichtet wird.

Die im Projekt entstehende virtuelle KI-Hardwareplattform stellt sicher, dass die Verfügbarkeit von energieeffizienten, leistungs­starken und vertrauenswürdigen KI-Komponenten (wie z. B. KI-Prozessoren) und Technologien in Europa dauerhaft gewährleis­tet werden kann. Damit soll ein wesentlicher Beitrag zum Erhalt der Technologiesouveränität in Deutschland geleistet werden. Insbesondere Edge Computing spielt eine bedeutende Rolle für die Digitalisierung industrieller Prozesse und für die erfolgreiche Umsetzung der deutschen Industrie 4.0-Strategie.

Weltweit wettbewerbsfähig

Weltweit bestehen neben den Forschungseinrichtungen der europäischen 3 RTO Alliance (imec, CEA-LETI, Fraunhofer Mikroelektronik) nur noch in den USA (Albany NanoTech Center) und Japan (AIST) Mikroelektronik-Forschungszentren mit einer ähnlichen Ausstattung auf Basis von 300 mm. Insofern sind die Forschungskapazitäten der Projektpartner auch über Europa hinaus von großer Bedeutung für die Mikroelektronikbranche. Insgesamt verfügen ihre 300-mm-Infrastrukturen über mehr als 10.000 m2 Reinraumfläche an den Standorten Leuven, Greno­ble und Dresden. Die Einrichtungen sind eng mit der Industrie vernetzt und können dank ihres Anlagenparks auf Industriestan­dard und etablierter Protokolle Wafer austauschen und Prozesse schnell transferieren.

Als Vorbild für PREVAIL dient die Forschungsfabrik Mikroelek­tronik Deutschland (FMD) für eine virtuelle, dezentrale Fab zur Entwicklung hochkomplexer Chips. Durch die Schaffung einer europäische KI-Plattform trägt PREVAIL nun unmittelbar dazu bei, den Wandel der Mikroelektronik zu einer wichtigen Basis­technologie für die Erfüllung von Klima- und Nachhaltigkeitszie­len in Deutschland und Europa voranzutreiben.

Das Vorhaben PREVAIL wird mit Mitteln der Europäischen Union und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) unter dem Förderkennzeichen 16ME0834 kofinanziert. Auf nationaler Ebene wird das Vorhaben durch das BMBF Projekt „Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland – Modul Quan­ten- und neuromorphes Computing“ (FMD-QNC) ergänzt, das zeitgleich am 1. Dezember 2022 startete. In diesem Vorhaben bündeln die FMD gemeinsam mit vier weiteren Fraunhofer-Insti­tuten, dem Forschungszentrum Jülich und der AMO GmbH ihre Kompetenzen und gerätetechnische Ausstattung in Bezug auf Quanten- und neuromorphes Computing.

 

 

Letzte Änderung: