»Chips Act«: Steigerung der europäischen Innovationskraft in der Mikroelektronik

Mit dem »Chips Act« hat die Europäische Kommission am 8. Februar 2022 ein umfassendes Maßnahmenpaket vorgestellt, das der EU im Bereich Halbleitertechnologien bis 2030 zu einer Führungsrolle verhelfen und gleichzeitig Versorgungssicherheit und Resilienz schaffen soll. Die Kommission setzt dabei unter anderem auf den Ausbau der mikroelektronischen Forschung und Entwicklung und veranschlagt für das gesamte Paket zur Förderung der Halbleitertechnologie und -anwendungen eine Fördersumme von 43 Milliarden Euro, einschließlich 11 Milliarden Euro an öffentlicher Förderung. Durch die intensive Zusammenarbeit mit ihren größten europäischen RTO Partnern – dem französischen CEA-Leti und dem belgischen imec – wird die Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD) hierbei entscheidende Beiträge leisten können.

Die immense Bedeutung von Halbleitern und mikroelektronischen Produkten für unsere Gesellschaft und Industrie ist spätestens seit den Auswirkungen der aktuellen Chipkrise weitreichend bekannt. Um dieser Bedeutung gerecht zu werden, möchte die EU-Kommission mit ihrer »Chips Act«-Initiative wichtige Schritte in Richtung einer technologisch souveränen und global konkurrenzfähigen EU-Halbleiterindustrie gehen. Das neue Maßnahmenpaket soll dazu führen, dass der EU-Marktanteil an der weltweiten Chip-Produktion bis 2030 auf 20 Prozent – von aktuell circa 9 Prozent – steigt und europäische Firmen unabhängiger von Chip-Herstellern in Asien werden. In einem Weltmarkt, der sich bis 2030 voraussichtlich verdoppeln wird.
 

Ziel ist es, ein wichtiger Akteur in der globalen Wertschöpfungskette zu bleiben

Die Notwendigkeit solcher Maßnahmen unterstreicht der immer weiter steigende Bedarf an neuen Hightech-Entwicklungen, beispielsweise von neuen Technologien für energieeffiziente nachhaltige Elektronik, Hochleistungsrechnern (High Performance Computing), 6G, Künstlicher Intelligenz sowie dem neuromorphen- und Quantencomputing. Gerade hier liegen Chancen für Europa, die vorhandenen Stärken und Wettbewerbsvorteile, etwa in der Sensorik oder Leistungselektronik, auszubauen, um Schlüsselpositionen der weltweiten Wertschöpfungs- und Lieferketten zu sichern und in weiteren Bereichen den Anschluss an die Weltspitze zu erlangen.

Der »Chips Act« als Förderprogramm für die Halbleiter-Industrie in der Europäischen Union setzt in erster Linie auf den Ausbau der europäischen Spitzenpositionen in Forschung, Equipment und Design, verbunden mit einer Steigerung der Produktion von Chips »Made in Europe«. Die Hauptbestandteile des Programms sind: 

  • Intensivierung der Erforschung und Erprobung neuer Halbleiterbauteile und Beschleunigung des Technologie-Transfers in die Industrie.
  • Sicherung der Verfügbarkeit von Chips in Europa durch die Errichtung neuer Produktionsanlagen und einer flexibleren Gestaltung des Beihilferechts für die Mitgliedstaaten.
  • Sicherung der für die Halbleiterindustrie relevanten globalen Lieferketten mittels Überwachung des globalen Halbleitermarkts und konkreter Maßnahmen.

Ähnliche Maßnahmen findet man auch in anderen Regionen der Welt, wie etwa die »Made in China 2025«-Initiative der chinesischen Regierung oder dem »CHIPS for America Act«, der zurzeit im US-Kongress diskutiert wird.
 

Mikroelektronik ist die Basis erfolgreicher Industrie in Europa

Nahezu alle Industrien der Zukunft basieren auf der Schlüsseltechnologie Mikroelektronik. Die Forschungsorganisationen in Europa bilden mit ihrer anwendungsorientierten Forschung eine Brücke zwischen Wissenschaft und Industrie. Dabei berücksichtigt der Technologietransfer die gesamte Wertschöpfungskette – von der Grundlagenforschung über die Technologievalidierung bis hin zur Weiterentwicklung für die endgültige Marktreife.

Die drei Forschungsorganisationen Fraunhofer-Gesellschaft mit der FMD, CEA-Leti und imec arbeiten seit vielen Jahren eng zusammen. Stets mit dem gemeinsamen Ziel vor Augen, die eigenen Kompetenzen und Stärken zu bündeln und den auf Halbleitertechnologien angewiesenen Industrien einen schnelleren Technologietransfer auf dem Weg zu neuen Marktinnovationen anzubieten. Dazu gehört jedoch eine funktionstüchtige europäische Wertschöpfungskette, die weniger von außereuropäischen Engpässen abhängig ist. Dieses zu erreichen erfordert:

  • eine europäische Halbleiter-Forschungsstrategie, die sich eng an die Industriebedürfnisse anlehnt und den Ausbau von europäischen Patentportfolios und Technologieerprobungs- und Pilotfertigungskapazitäten in der EU vorantreiben sowie
  • die Erhöhung europäischer Produktionskapazitäten und
  • ein Rahmenwerk für internationale Kooperationen und Partnerschaften.

Die FMD mit ihren Fraunhofer- und Leibniz-Instituten sowie CEA-Leti und imec sind naturgemäß im ersten Handlungsstrang am stärksten engagiert und unterstützen damit gleichsam indirekt den zweiten und dritten Bereich. Die drei kooperierenden Forschungseinrichtungen können somit das technologische Fundament des »European Chips Act« in der Halbleitertechnologie erfolgreich unterstützen – vom Design über die Validierung neuer Technologien bis hin zur Entwicklung von Prototypen.
 

Kooperation als Schlüssel zu Souveränität, Weiterentwicklung und Technologieführerschaft

Die aktuelle Chipkrise zeigt aber auch ganz deutlich, dass mit der hohen Bedeutsamkeit der Mikroelektronik eine große Verantwortung für die Zuverlässigkeit, Sicherheit und Verfügbarkeit von Halbleitern einhergeht. Nur mit starkem Handeln und intensiver Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene werden wir den Anschluss an die Weltspitze im Bereich der Halbleiter halten und aktiv sowie technologisch souverän gestalten können. Initiativen aus Deutschland, wie im Rahmenprogramm der Bundesregierung für Forschung und Innovation im Bereich der Mikroelektronik, oder auf europäischer Ebene mit dem Chip-Gesetz zeigen, dass die Zeichen der Zeit hierfür erkannt wurden.

Der Aufbau einer gemeinsamen Forschungsstrategie, die die europäischen Patententwicklungen und Forschungs-Know-How erhöht, neue Pilotfertigungsfähigkeiten ermöglicht und Wege des Transfers von Innovationen in die Industrie beschleunigt – wie von der EU-Kommission mit dem »Chips Act« vorgeschlagen – ist eine großartige Chance für Europa. Denn ohne eine starke Zusammenarbeit auf der europäischen Ebene werden so große Ziele, wie eine Steigerung des europäischen Anteils an der globalen Chipherstellung zu verdoppeln, nur schwer erreichbar sein. 

 

Über die Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD)

Die Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD) als Kooperation des Fraunhofer-Verbunds Mikroelektronik mit den Leibniz-Instituten FBH und IHP ist Ihr zentraler Ansprechpartner für alle Fragestellungen rund um die Mikro- und Nanoelektronik in Deutschland und Europa. Als One-Stop-Shop verbindet die FMD die wissenschaftlich exzellenten Technologien, Anwendungen und Systemlösungen der kooperierenden Institute zu einem kombinierten Gesamtangebot um so die aktuellen und künftigen Herausforderungen der Elektronikforschung aktiv anzugehen. Unter dem virtuellen Dach der FMD entstand somit der europaweit größte F&E-Zusammenschluss der mit seinen rund 2.000 Forschenden und seiner einzigartigen Kompetenz- und Infrastrukturvielfalt Kunden und Partnern einen einfachen Zugang zu neuen Anwendungen und Hochtechnologien in unterschiedlichen technischen Reifegraden und auf internationalem Spitzenniveau ermöglicht. Die FMD bietet ein umfassendes und europaweit einmaliges Angebot für Unternehmen, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) aber auch Start-ups, und ist dabei ein wichtiger Innovationstreiber und strategischer Dialogpartner.

Die Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland stärkt auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit des Mikroelektronikstandorts Deutschland und sorgt für weitergehende Technologiesouveränität entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Mit ihren internationalen Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft bringt sich die FMD zudem aktiv in die deutsche und europäische Forschungsagenda ein und gibt dabei wichtige Impulse zur Entwicklung von elementaren Innovationen für die Welt von morgen – zum Wohl der Gesellschaft und zur Stärkung der deutschen und europäischen Wirtschaft.

Letzte Änderung: